Beschreibung der Videos

Die Geschichte der Gelsenkirchener Kirche St. Georg beginnt bereits im 11. Jahrhundert. 1073 wird "St. Georg" als erste Kirche der späteren Stadt erstmals urkundlich erwähnt. Um diese Dorfkirche erwuchs mit der Zeit ein kleiner Ort, der um 1150 als Gelstenkerken oder Gelstenkerken bezeichnet wird. Mit der Reformation wurde St. Georg Simultankirche, also von katholischen und evangelischen Christen gleichermaßen genutzt. Da die Einwohnerzahl Gelsenkirchens mit der Industrialisierung und dem aufkommenden Kohlebergbau in der Region sprunghaft angestiegen war, reichte der Platz in der Kirche allerdings nicht mehr aus, sodass ab 1874 die heutige kath. Propsteikirche St. Augustinus errichtet wurde. Einige Jahre später wurde zudem die alte Dorfkirche abgerissen und an ihrer Stelle ein neugotischer Bau als ev. Altstadtkirche errichtet.

Ab 1906 wurde direkt an der Ost-West und Nord-Süd-Verbindung und einige 100 Meter nördlich der Kernstadt ein repräsentativer neuromanischer Bau errichtet. Um das "Urpatrozinium" der Stadt wieder aufzugreifen wurde diese neue Kirche St. Georg genannt und am 18. Juli 1908 geweiht. Nach teilweiser Zerstörung im zweiten Weltkrieg erhielt St. Georg von außen 1947/48 ihre heutige Gestalt, das Innere erst nach den 1974 und 1988 erfolgten Sanierungen.

Bereits seit dem Jahr 2000 kursierten Gerüchte, die Kirche als Standort aufzugeben. Während am 22. Juli 2005 noch der Erhalt seitens des Bistums versichert wurde, kam Mitte Januar 2006 dann doch die überraschende Nachricht: St. Georg wird als sog. "weitere Kirche" nicht weiter finanziert und geschlossen. Insbesondere diese Kehrtwende veranlasste die Gemeinde zu lautstarken Protesten, welche rund einen Monat später in einem bis mind. Ende 2007 garantierten Erhalt als Filialkirche von St. Augustinus fruchteten. Diverse Presseartikel und das Antwortschreiben an den Bischof als Reaktion auf die geplante Schließung sind unter Quelle 1 zu finden.
Wirklich erhalten blieb St. Georg dann noch eine ganze Zeit länger, am 2. Februar 2019 (Mariä Lichtmess) fand dann aber die letzte reguläre Messe statt. Profaniert wurde die Kirche seitdem nicht, diente aber u. a. als Lager für Hilfsgüter an die Ukraine, oder während des Ortsbesuchs scheinbar als Schreinerei.

Das erste Geläut wurde 1908 in Gescher von Carl Edelbrock gegossen. Nach Dezimierungen im 1. Weltkrieg wurde das Geläut 1923 wiederum aus Gescher vervollständigt, allerdings im 2. Weltkrieg erneut eingeschmolzen. Lediglich die heutige und undatierte Glocke 3 blieb erhalten. Diese bekam danach Unterstützung in Form von 2 Leihglocken aus den ehem. deutschen Ostgebieten, sodass das Terzett eines der wenigen historischen Bronzegeläute im Ruhrgebiet darstellt. In Quelle 4 ist die Zuordnung der einzelnen Instrumente etwas durcheinander geraten: Dort ist die d' von P&E und 1923 angegeben, die f' von 1674 und die g' von 1788. Die Datierung der kleinen Glocke auf 1908 kann wegen des Gießerzeichens als gesichtert gelten, da Carl Edelbrock 1912 nach Amerika auswanderte.


Glocke 1: d'-1, 1788, Franziskus Stanke, Troppau (Opava), Leihglocke aus Katscher (Kiertz), Schlesien
ca. 1300 kg, ~1305 mm

Glocke 2: f'-5, 1674, Johann Georg Herold, (Breslau?), Leihglocke aus Brunzelwaldau (Brosniszów), Schlesien
ca. 800 kg, 1104 mm

Glocke 3: Joseph, g'-7, 1908, Petit & Gebr. Edelbrock (Carl Edelbrock), Gescher
ca. 670 kg, 1037 mm


Ablauf:
0:00 - Bilder der Kirche
1:35 - Glocke 3
3:50 - Glocke 2
6:30 - Glocke 1
10:20 - Vollgeläut

Ein herzliches Dankeschön gilt Herrn Schmidt-Kuhl für die (erneute) Erlaubnis, Herrn Freund für das Vertrauen und die Ermöglichung und nicht zuletzt Winnie für diesen wieder sehr erlebnisreichen Tag in Gelsenkirchen! Seine Außenaufnahme mit umfangreichen Infos zur Geschichte und Geläut ist unter folgendem Link zu finden: https://youtu.be/qCliH8yTJQw


Quellen:
1: Internetauftritt der ehem. Gemeinde St. Georg: http://www.familie-berendes.de/georg/

2: https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/ukraine-das-passiert-mit-spenden-massen-aus-gelsenkirchen-id234915055.html

3: https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/gelsenkirchen-abschied-von-kirchen-st-georg-und-liebfrauen-id215769475.html

4: G. Hoffs: Glockenkatalog des Bistums Essen (Vorläufer zum Glockenbuch), bearbeitet von S. Schritt, Trier, ohne Jahreszahl.

5: https://petit-edelbrock-gescher.de/ueber-petit-gebr.-edelbrock/firmengeschichte/#c38

(alle Internetquellen aufgerufen am 10. Februar 2024)


Aufnahmen:
Samstag, den 11. November 2023 (Sonderläuten)


Nördlich der Gelsenkirchener Altstadt schließt der Stadtteil Schalke an, wohl landesweit bekannt durch den ansässigen Fußballverein FC Schalke 04. Bereits 1246 wurde der Ort „Schadeleke“ als Name eines ansässigen Adelsgeschlechts erwähnt. Bis zur Industrialisierung handelte es sich aber nur um eine Bauernschaft. Seit dem 1. April 1903 gehört Schalke zur Stadt Gelsenkirchen.

Mit der Industrialisierung und dem sprunghaften Anstieg der Bevölkerung bildete sich schon bald eine katholische Gemeinde. Während den 1870er-Jahren begnügte man sich noch mit einer kleinen Notkirche, allerdings wuchs der Wunsch nach einer repräsentativen Pfarrkirche. Somit wurden in den 1880er-Jahren mit den Planungen begonnen und am 26. Mai 1886 der Grundstein für die neuromanische Basilika nach Plänen von Peter Zindel gelegt. 1891 wurde St. Joseph eigenständige Pfarrei, 1894 konnte der erste Gottesdienst in der neuen Kirche gefeiert werden.
Wie der ganze Stadtteil wurde auch St. Joseph im Bombenhagel vom 6. November 1944 stark zerstört. Von 1951 bis 1953 erfolgte der Wiederaufbau in vereinfachten Formen.
Von der Ausstattung ist besonders das Aloisius-Fenster [0:41] erwähnenswert. Es zeigt den heiligen mit „Schalke-Attributen“, also blau-weiß gefärbten Turnschuhen und einem Fußball. Der FC Schalke 04 war 1958 Deutscher Meister geworden.

2007 wurde St. Joseph Pfarrkirche der zusammengelegten Gemeinden St. Joseph, St. Anna, Hl. Dreifaltigkeit, St. Antonius in Feldmark und St. Elisabeth in Heßler. Die letzte reguläre Messe fand am 31. Dezember 2019 statt. Seitdem wird St. Joseph für verschiedene kulturelle und unregelmäßig stattfindende sakrale Veranstaltungen genutzt. 2021 wurde die ehem. Pfarrei St. Joseph an die Propsteigemeinde St. Augustinus angegliedert.

Zur Glockengeschichte der Kirche gibt es zwar mehrere Quellen, welche sich z. T. aber widersprechen. So soll die Firma Otto 1894 fünf Glocken c'-es'-f'-g'-as' geliefert haben (Quelle 3), lt. dem Historiker Hans Jürgen Brand hatte der KV aber erst 1898 die Anschaffung eines Geläuts beschlossen. Nachdem das Geläut von St. Laurentius zu Elberfeld angehört worden war, ging der Auftrag an die Hemelinger Gießerei. Dabei ist direkt klar, dass in St. Laurentius nie Otto-Glocken, sondern welche von Petit & Gebr. Edelbrock hingen/hängen. Also kann diese Information so nicht stimmen. Stattdessen zieht Reinhold die Verbindung zur Elberfelder Marienkirche, die 1894 ein Otto-Geläut in oben genannter Tonfolge erhielt. Damit ist die von Brand genannte Disposition b°-c'-d'-f'-g' wohl auch als falsch anzusehen.
Dieses erste Geläut fiel so oder so den Beschlagnahmungen des ersten Weltkriegs zum Opfer.
1923 soll Otto drei Glocken c'-d'-f', 1929 um g' und c³ ergänzt, erhalten haben. Auf dem heutigen Schalker Friedhof läutet heute noch die kleine Wandlungsglocke, die als einzige den zweiten Weltkrieg überlebt haben soll.

Nach zweimaliger Ablieferung hatte die Gemeinde wohl genug und schaffte sich lieber Glocken aus Ersatzlegierung an. Dabei erhielt allerdings nicht der BVG den Auftrag, wie man es wegen der Nähe erwarten würde, sondern die Erdinger Glockengießerei unter Karl Czudnochowsky. 1953 fertige er das fünfstimmige Euphongeläut in leichter Rippe, welches sich vollständig im Südturm befindet. Es handelt sich dabei um sein erstes größeres Geläut im Ruhrgebiet, dem später noch einige folgen sollten, so z. B. nach Gelsenkirchen-Bulmke oder Duisburg-Neudorf. Klangliche Schwächen der Einzelglocken werden im Gesamtklang gut überdeckt, sodass das Geläut von St. Joseph in seiner Gesamtheit als wirklich hörenswert bezeichnet werden kann.


Glocke 1: Joseph, b°±0, 1953, Karl Czudnochowsky, Erding
2190 kg, Ø 1654 mm

Glocke 2: Maria, c'±0, 1953, Karl Czudnochowsky, Erding
1590 kg, Ø 1495 mm

Glocke 3: Konrad, d'±0, 1953, Karl Czudnochowsky, Erding
1166 kg, Ø 1342 mm

Glocke 4: Alfons, f'±0, 1953, Karl Czudnochowsky, Erding
700 kg, Ø 1125 mm

Glocke 5: Barbara, g'±0, 1953, Karl Czudnochowsky, Erding
536 kg, Ø 1020 mm


Ablauf:
00:00 - Bilder der Kirche & Anschlagen der b°
01:39 - Glocke 5
03:40 - Glocke 4
06:00 - Glocke 3
08:30 - Glocke 2
11:00 - Glocke 1
14:00 - Vollgeläut

Auch hier gilt herzlichen Dank an Herrn Schmidt-Kuhl für die Erlaubnis und Ermöglichung der Aufnahme und an Winnie für den schönen Tag! Seine Außenaufnahme mit einer detailreichen Darstellung der Kirchenhistorie ist unter folgendem Link zu finden: https://youtu.be/bKVGJPb8C-k


Quellen:
1: Wikipediaeintrag "Gelsenkirchen-Schalke": https://de.wikipedia.org/wiki/Gelsenkirchen-Schalke
(aufgerufen am 22. Juni 2024)

2: Gelsenkirchener Geschichten-Wiki, "St. Joseph (Schalke)": https://www.gelsenkirchener-geschichten.de/wiki/St._Joseph_(Schalke)
(aufgerufen am 20. Juni 2024)

3: Gerhard Reinhold: OTTO-GLOCKEN, Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto, Essen 2019


Aufnahme:
Samstag, den 25. Mai 2024 (Sonderläuten)

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